Jagdkolumne Lucas von Bothmer – Jagd als Sport?

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©Pauline von Hardenberg

Viele Saujäger träumen von schnellen Zielen und großem Ruhm – aber Jagd als Sport zu verstehen ist falsch.

Denn Waidmänner sind keine Athleten, sondern Beutemacher – und Wildtiere sind kein sportliches Ziel.

Wer sich nicht über jede Beute freut, betrachtet Jagd als Sport?

Es war vor Jahren auf einer Jagd so wildreich, dass passionierte Jäger in der Nacht zuvor kein Auge zubekamen. Mein Vater und ich saßen auf dem Wildwagen, unterwegs zum zweiten Treiben. Kalter Wind blies uns ins Gesicht, doch mir konnte das nichts anhaben. Ich fühlte mich selbst schon sehr abgeklärt. Wir rollten an einem Stand vorbei, dort hatte ein Freund des Jagdherrn gesessen. Der sah irgendwie besorgt aus. Der Ansteller fragte ihn, was er denn geschossen hätte. Der Mann antwortete in entschuldigendem Tonfall: Zwei Frischlinge, aber die seien ganz nah gekommen. Und sehr stark seien sie auch nicht. In der Tat – zwei bergefreundliche Braune lagen dort im Laub.

Ich half beim Aufladen, zweimal ungefähr 25 Kilogramm Wildbretgewicht, die Stücke hatten Küchenschüsse und sie würden ein paar Hungrige sehr glücklich machen. Doch der Waidkamerad schien nicht zufrieden. Ich überlegte, weshalb? Warum nur konnte der gestandene Jäger sich über so gute Beute nicht freuen? Hatte er von starken Keilern geträumt?

Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

©Pauline von Hardenberg

Jagd als Sport – Was treibt den Schützen an?

Von urigen Bassen mit Waffen, bei deren Anblick jeder Elefantenbulle rückwärts aus dem Wald rangiert wäre? Er hatte sich wohl ausgemalt, eine Frischlings-Quintette zu schießen, an der Backe zu repetieren, weit vorzuhalten und sein Magazin leer zu machen. Zwei versprengte Einzel-Schweinchen – im Schritttempo erlegt – das schien ihm fast peinlich zu sein. Das trug seinen Schießfertigkeiten nicht Rechnung. Fast schien es, als sei der große Wald zu klein für sein Ego.

Ein paar Monate später: Ich hatte eine neue Waffe, hatte auf dem Stand geübt, war früh ins Bett gegangen, war „geschmeidig“, wie ein Freund diesen hochsitztechnischen Fitnesszustand gern beschreibt. Doch halt: Hier konnte etwas nicht stimmen – und zwar der Stand: Lichtes Buchenaltholz am Hang, zwischen zwei jungen Dickungen, ein Graben mit Suhle links unterhalb von mir – ich vermied es, den Ansteller auf seinen Irrtum hinzuweisen. Ich tat ganz cool, so wie die Topschützen, die sonst immer an diesen Plätzen abgestellt werden. Ja klar, dabei sein ist alles.

Man darf die Jagd nicht als Sport ansehen

Aber mittendrin war auch ganz okay! Seit Jahren wartete ich nun auf so ein Plätzchen – und Diana schien ihr Fehlverhalten endlich einzusehen. Somit war das jetzt eine Sache zwischen ihr und mir – der olle Jagdaufseher sollte sich da gefälligst raushalten. Zufrieden sann ich nach. Eine Rotte möge mich anlaufen, sollten sie nur kommen. Der gegrubberte Waldboden, der Duft von Fichtennadeln – es schien sich alles zu fügen. Hier saß heute schließlich nicht irgendeine Blindschleiche. Ich war sicher, ich würde die Sportgangschaltung an meiner neuen „Krachlatte“ virtuoser bedienen als einst Karajan seinen Taktstock. Bald nach dem Anblasen konnte ich ein laufkrankes Reh an den Platz bannen. Ein Überläufer folgte – einfacher Schuss, aber sauber gemacht! So langsam wurde es trotzdem mal Zeit für eine echte Herausforderung. Doch halt – was war das? Sauen!

Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

SAUEN!

Gegenüber am Dickungsrand. Bache mit zwei – vier – acht Frischlingen, in rasender Flucht – genau auf mich zu! Ich stand auf, bereit für die große Prüfung, seit Jahren schon. Verdammt, kamen die nah, das war ja fast zu einfach! Schon waren sie heran und ich ließ fliegen, bamm, krach, baller, bauz! Sensationell! Sensationell schlecht. Brille: Fehlmann. Nicht eine Borste lag im Laub. Vier Kugeln waren vorbeigegangen – aus sechs Metern konnte nicht einmal ich übersehen, wie das Laub aufgespritzt war. Unweigerlich fiel mir ein Buch ein, das wir in der Schule gelesen hatten. „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins.“

Ein schwermütiger Schinken, anspruchsvoll und meiner Meinung nach ein Leckerbissen für Beziehungsgestörte. Und die Stimmung darin entsprach exakt genau der Tristesse, die mich auch auf meinem Kaiserstand befallen hatte.
Fassungslos starrte ich auf die Patronenhülsen. Ich schämte mich. Dann dachte ich an den anderen Jäger, der sich geschämt hatte für seine kleine Beute. Wir hatten jetzt etwas gemeinsam: Dem einen Waidmann waren seine Frischlinge nicht stark genug. Der andere – ich selbst – wollte lieber auf anspruchsvolle Ziele schießen – und traf nicht einmal die nahgelegenen.

Jagd ist kein Wettbewerb –  Jagd ist Passion und Hingabe

Wir beide hatten in der Jagd zu jener Zeit einen Wettbewerb gesehen – und dabei die Wurzeln vergessen. Fleischbeschaffung. Naturerlebnis. Respekt. Eine Sau kann nichts dafür, wie weit der Schütze entfernt steht. Eine Sau ist keine Zielscheibe. Eine Sau ist ein intelligentes Tier, auf das wir nur schießen sollten, wenn wir es sicher erbeuten können und verwerten wollen. Wir sind Handwerker, keine Künstler.

Auch wenn es Leute gibt, die auf dem Stand Höchstleistungen bringen, der gute Jäger schätzt jedes Erlebnis, bleibt demütig und dankbar – auch wenn er mal nichts erlebt im Wald. Damit „die unerträgliche Leichtigkeit des Schweins“ niemals Besitz von ihm ergreifen.